Die Lichtenberger Methode

Die Lichtenberger Methode stellt die Wahrnehmung der Tonschwingung in den Vordergrund. Ich habe sie von der wunderbaren Schirin Zareh gelernt und sie erinnert mich in vielem an die alte Belcanto-Schule, wie sie auch in der Biografie von Cecilia Bartoli dargestellt wird. Die absolute Tendenz zur kleinteiligen Wiederholung ermöglicht ein schnelles Ankommen im Flow. Gefunden wird zuerst immer die Hochfrequenz (Kopfresonanzen), weil diese den Rest der Stimme organisiert. Alles weitere kommt fast unaufgefordert von alleine in den Klang. Mir gefällt diese Art, Stimmklang zu entwickeln, denn das Zusammenspiel aller an der Stimmgebung beteiligten Muskel ist zu kompliziert, als dass man es bewusst steuern könnte. Es ist die Intuition, nicht die Kognition, die uns letztlich die Möglichkeit zu nicht angestrengtem und trotzdem kraftvollen und präzisen Singen gibt. Die Maxime lautet: größtmögliche motorische Beruhigung bei größtmöglicher sensorischer Wachheit.

Ein physiologischer Grund, warum diese Art, mit der Stimme umzugehen, so gut funktioniert, liegt sicherlich darin, dass der Kehlkopf mit all seinen vielen Muskeln hauptsächlich vom parasympathischen Teil des Nervensystem enerviert wird. Jegliches bewusste oder unbewusste Ansteuern dieser Muskeln liefert sie dem Sympaticus aus und es wird leicht ein grobes Übersteuern daraus.

In der Lichtenberger Methode geht es sehr ähnlich wie in der Atemarbeit um das langsame Erschliessen von Empfindungskompetenz. Und mit dieser ist es wie mit dem Gras, das auch nicht schneller wächst, wenn man daran zieht. Die Resonanz steht ganz im Vordergrund der Empfindung. Und zwar eine Resonanz, die nicht reflektiert wird vom Gewebe, noch absorbiert wird, sondern eine Resonanz, die das Gewebe durchdringt und damit zur Geweberesonanz wird.

Der Unterschied zu Estill oder CVT, die auch viel mit der taktilen Wahrnehmung arbeiten, um die an der Stimmgebung beteiligten Muskeln isoliert zu spüren und zu trainieren, liegt für mich v.a. darin, dass es in der Lichtenberger Methode noch weniger darum geht, das Richtige zu spüren. Es geht vielmehr darum anzuschauen, was sich gerade jetzt zeigt, weil davon ausgegangen wird, dass das, was sich jetzt zeigt und empfunden werden kann, auch immer das ist, an dem gearbeitet werden kann. Der Körper wählt sich selber seine Themen zur jeweils stimmigen Zeit. Auch hierin liegt eine Parallele zur Atemarbeit.

Eine weitere großartige Hilfe in dieser Methode ist die Einbeziehung der eustachischen Röhren, auch Ohrtrompeten genannt in die Geweberesonanz. Und über die eustachischen Röhren kommt auch das Mittelohr ins Spiel und wird ins Ansatzrohrresonanzsystem integriert. Die eustachischen Röhren sind Gewebeschläuche, die Nasenrachenraum und Mittelohr miteinander verbinden. Aus der Empfindung gesprochen heißt das, man spürt, wie die Schwingung sich durch diese Schläuche hin ausbreitet zu den Ohren hin. Die Sänger:in gewinnt eine horizontale Ebene hinzu und damit eine große Weite für den Ton, weit über die Ohren hinaus.

Siehe auch unter Kurse Stimmbildung nach der Lichtenberger Methode

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