Einleitung …im Flow

Jedes Kind ist ein Künstler. Das Problem ist, ein Künstler zu bleiben, wenn du erwachsen bist. (Pablo Picasso)

Die meisten kennen dieses bekannte Zitat von Picasso. Ich erkenne darin vor allem die Fähigkeit, absichtslos zu spielen – eine Fähigkeit, die kleine Kinder noch besitzen, und die man ihnen in unserer Gesellschaft relativ schnell austreibt, indem man sie bespielt und beschult. Kleine Kinder sind Meister des Lernens, nie wieder lernen wir in dem Tempo und mit der Begeisterung wie in den ersten fünf Lebensjahren. Dabei ist für die Kinder alles Lernen Spiel, es ist nicht angestrengt und bereitet ihnen Freude. Ist dieser Zustand nicht beneidenswert? Aber anstatt diese Meisterschaft anzuerkennen, nehmen wir unsere Kinder an die Hand und führen sie unnachgiebig auf unseren Pfad des Lernens, den oft mühsamen schulischen Pfad. Muss das sein?

Ich glaube nicht, und darum wird es in diesem Buch viel um Absichtslosigkeit gehen, genauer gesagt um das Paradoxon von zielgerichteter Absichtslosigkeit. Es wird darum gehen, Wege zurück in die Absichtslosigkeit zu finden und um den Übergang vom Tun ins Sein. Dort angekommen sind wir im Flow, schöpfen aus der Quelle der Kreativität. Ob wir dann Songs schreiben, Arien singen, improvisieren, malen oder Nudeln kochen, ist zweitrangig. Wir sind mit uns verbunden und im Jetzt.

Ich werde praktische Wege aufzeigen, um leichter in den Flow und ins Jetzt zu kommen und werde auch einige theoretische Gedanken dazu anführen. Außerdem möchte ich aus den Gesangstechniken und -methoden, die ich in den letzten 35 Jahren erlernt und mit meinen Schüler:innen erprobt habe, das Beste herausnehmen und Gutes und Nützliches in diesem Buch weitergeben.

Das Buch richtet sich nicht nur an Sänger:innen, sondern auch an  Instrumentalist:innen. Sowieso gibt es viele Stimmen in der instrumentalen Musikpädagogik, die dazu raten, alle Instrumentalist:innen auch singen zu lassen. Außerdem sind alle Arten von Klang und Schwingung am Instrument taktil wahrnehmbar und alle analogen Instrumente kann man auditiv oder taktil hören. Und taktile Wahrnehmung oder körperliche Empfindung nehmen einen zentralen Platz in diesem Buch ein.

Ich möchte meine Gesangsschüler:innen und auch die Leser:innen dieses Buches in ihrer Selbstkompetenz ermächtigen. Ich bin überzeugt von ihrer Selbstwirksamkeit und ihrem sicheren inneren Wissen. So möchte ich auch mein Buch verstanden wissen und lade dazu ein, das Angebot an Übungen und auch die Schlussfolgerungen, die ich ziehe, stets mit wachen Sinnen und von innen her zu überprüfen, ihnen nachzulauschen und dann der eigenen Intuition zu folgen.

Es geht in diesem Buch um Leichtigkeit und Freude und darum, auf das eigene Herz zu hören. Es geht nicht um Richtig oder Falsch.

Jenseits von richtigem und falschem Tun gibt es ein Feld – dort treffen wir uns. (Rumi)

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